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Führung und Zusammenarbeit geht auch anders

Führung und Zusammenarbeit geht auch anders

Worldline

Human Resources

Führung und Zusammenarbeit geht auch anders
Neue Herausforderungen für Führungskräfte nach der Pandemie 

Corona hat die Art und Weise wie wir heute arbeiten maßgeblich verändert. Arbeitnehmer haben die hohe Flexibilität, Mobilität und Individualität die der Mix aus Office-Präsenz und Home-Office bietet, in der Pandemie zu schätzen gelernt; viele wünschen sich auch nach Corona, ihre Arbeitswoche zwischen Büro und zuhause aufzuteilen. 

Bei Worldline wurde im März 2020 zum ersten Mal komplett auf Remote-Arbeit umgestellt. Allein in Deutschland war Worldline plötzlich auf über 1.700 Standorte verteilt. Teams, die vorher zusammengesessen haben, gab es physisch plötzlich so nicht mehr. Die Information, die sonst u.a. in den Kaffeeküchen stattgefunden hatte bzw. der Flurfunk existierte von jetzt auf sofort nicht mehr. Dies war nicht nur eine Umstellung für die MitarbeiterInnen, sondern stellte auch alle Worldline Führungskräfte vor neue Herausforderungen. Denn Corona hatte in Sachen Führung und Zusammenarbeit auch die Karten für unsere Führungskräfte neu gemischt. 

Wie schaffen Worldline Führungskräfte es, hybride Teams zu verantworten? Wie gestalten sie bewusst die Zusammenarbeit? Worldline möchte das bestmögliche aus dieser neuen Situation herausholen - für alle Beteiligten - und hat sich dazu Unterstützung von Sonja Hanau, Beraterin für Unternehmen bei der Entwicklung einer neuen Meeting- und Zusammenarbeitskultur, ins Unternehmen geholt. In ihrer bei Worldline durchgeführten Vortragsreihe sowie in den Workshops gibt sie den Führungskräften von Worldline nicht nur praktische Tipps, sondern motiviert auch dazu, die Zusammenarbeit in den Teams bewusst zu gestalten. Lohnt es sich diesen Weg zu gehen? Wir haben nachgefragt!

?Frau Hanau, beim Thema hybrides Arbeiten denken viele spontan erst einmal an hybride Meetings. Aber was bedeutet das genau?

!Sonja Hanau: Hybride Zusammenarbeit wird oft gleichgesetzt mit hybriden Meetings, also Meetings bei denen einige Menschen gemeinsam im Büro sitzen, während andere im Homeoffice teilnehmen. Das ist auch definitiv ein Teil des hybriden Arbeitens. Hybrides Arbeiten ist aber viel mehr, nämlich das aktive Gestalten von zeit- und ortsunabhängiger Zusammenarbeit. Das gelingt, in dem ich zum Beispiel bewusst entscheide, welche Tätigkeiten wann und wo am besten durchgeführt werden können. Während der Pandemie haben wir in dem Bereich viel Erfahrung gesammelt; diese gilt es bewusst zu nutzen, z.B. wo sollen schwierige Gespräche geführt werden? Wo sollte eine kontextbezogene Zusammenarbeit stattfinden? 

Hybride Zusammenarbeit hat aber auch noch eine zweite Dimension, die bisher etwas im Hintergrund stand: Wann arbeiten wir zusammen, finden gemeinsame Termine auch über Zeitzonen hinweg statt? Und wann ist es viel besser, zeitversetzt zu arbeiten? Welche Themen eignen sich besser für eine synchrone und welche für eine asynchrone Zusammenarbeit?  

Wenn ich diese beiden Dimensionen, nämlich orts- und zeitunabhängig, bewusst miteinander kombiniere, dann können viele schöne und neue Arbeitserfahrungen daraus entstehen. 

?Unsere Führungskräfte verantworten heute alle hybride Teams. Auch wenn viele von ihnen bereits internationale Teams geleitet haben, kann der Weg zum hybriden Arbeiten zum Teil steinig sein. Warum ist das so? 

!Sonja Hanau: Wenn man ein Team vor Ort führt, kann man viel auf der menschlichen Ebene abfangen. Wenn ich z.B. eine Unterlage nicht finde, frage ich einfach den Kollegen, der neben mir sitzt. Das funktioniert in hybriden Teams nicht. Deswegen ist es ein großer Hebel, bestmögliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Dazu gehört, gute Tools im Einsatz zu haben und mit dem Team eine gute Struktur zu etablieren, d.h. eine strukturierte Dokumentenablage und effiziente Kommunikationskanäle. So ist es zum Beispiel hilfreich, mit dem  Team zu überlegen, welcher Kanal für welche Kommunikation genutzt wird. Worüber wird dringendes kommuniziert? Für Statusupdates hat sich zum Beispiel für viele Teams das Taskboard in MS Teams bewährt. Je strukturierter und klarer dieser Rahmen ist, desto besser klappt auch die Zusammenarbeit. Wenn ich diesen Rahmen dann mit einer entsprechenden Disziplin kombiniere, schaffe ich mehr Freiraum für das Team. Tätigkeiten mit geringem Mehrwert lagere ich aus Terminen aus und nutze mehr gemeinsame Zeit für qualitativ hochwertige Meetings. D.h., Meetings sollten idealerweise nicht dazu genutzt werden, einen Statusbericht abzugeben, sondern vielmehr sich auszutauschen, was habe ich gelernt und was kann ich besser machen. 

?Kann es sein, dass Führungskräfte hybrides Arbeiten als eine Art Kontrollverlust empfinden? 

!Sonja Hanau: Das ist hochgradig individuell und hängt stark davon ab, wie führe ich und wie ist mein Verständnis zum Thema Führen. Wenn ich eher über Präsenz geführt habe, dann ist das jetzt definitiv die Chance, sich neu zu erfinden. 

Das funktioniert meistens gut, wenn ich den Fokus weniger auf einzelne Aufgaben lege, sondern stärker darauf ausrichte, was wir erreichen wollen. Es gilt, das Ziel zu vermitteln und zu schauen, wie kann ich als Führungskraft einen Rahmen schaffen, um mein Team dabei zu unterstützen, dieses Ziel zu erreichen. 

Die veränderten Rahmenbedingungen sind der ideale Anstoß, den Führungsstil weiterzuentwickeln. Etabliertes in Frage zu stellen und zu überlegen, wie es anders gehen könnte. Diejenigen, die sich bereits auf die Reise gemacht haben berichten meist zwei Dinge – es lohnt sich, auch wenn es anstrengend ist. 

?Was passiert in hybriden Teams, wenn sie nicht gut geführt werden? 

!Sonja Hanau: Gute Führung bedeutet für mich, dass ich als Führungskraft einen Rahmen schaffe, in dem sich jeder einbringen und sein Potenzial nutzen kann, um das gemeinsame Ziel zu erreichen. Wenn ich z.B. viel Zeit und Energie für nicht wertschöpfende Tätigkeiten (wie zum Beispiel auf Antworten warten, Dokumente suchen, wichtige Informationen nicht mitbekommen, wichtige Informationen aus langen Powerpoints rausfiltern) investiere, dann produziere ich weniger, schaffe weniger und die Qualität meiner Arbeit ist geringer. Dies führt in der Regel zu Reibungen, Effizienz- und Qualitätsverlusten im Team, die man nicht gut messen kann. Darüber hinaus macht es einfach unzufrieden, denn kein Mensch verschwendet gerne Zeit mit nicht wertstiftenden Tätigkeiten. 

?Wie sollten sich Führungskräfte den neuen Herausforderungen des hybriden Arbeitens stellen? 

!Sonja Hanau: Herausforderungen gemeinsam identifizieren und Schritt für Schritt gemeinsam mit dem Team angehen. Nicht den Anspruch haben, eine perfekte Lösung liefern zu müssen. Einfach machen! Zusammenarbeit kann man gestalten und im Team besprechen. Dabei ist es wichtig, die Teammitglieder ohne Bewertung zu Wort kommen zu lassen, ihre Meldungen einfach aufzunehmen und gemeinsam Lösungen zu finden nach dem Motto „lasst uns vereinbaren, wie wir zusammenarbeiten wollen“. D.h., gemeinsam sehen, wo Handlungs- und Optimierungsbedarf besteht und daraus dann Maßnahmen ableiten und Strukturen aufbauen. Ich stelle in Workshops gerne die Fragen „Was schätzt du an der Zusammenarbeit im Team?“ und „Was kostet dich unnötig Energie?“. Sobald einmal transparent gemacht wurde, was alle stört, ist es viel leichter, daran zu arbeiten. 

Die Teams, die ich dabei begleitet habe, haben einhellig gesagt, dass es entlastend ist, die Art, wie man zusammen arbeiten will, besprochen zu haben. Das braucht Zeit und Energie, denn jeder hat andere Bedürfnisse und die Erwartungshaltungen sind unterschiedlich im Kopf. Aber als Führungskraft mit knappen Ressourcen lohnt es sich, innezuhalten, bewusst Zeit zu nehmen, einen besseren Rahmen zu schaffen, um den Workload bewältigen zu können. 

?Hilft es auch, wenn man sich darauf einigt, sein Bild in Team-Calls immer zu zeigen? 

!Sonja Hanau: Auch hier sind die Bedürfnisse sehr unterschiedlich. Ich habe letzte Woche zu Studienzwecken eine „kamerafreie Woche“ gemacht und hinterher meine Kunden gefragt, wie war es für Euch. Das Feedback war ganz unterschiedlich – von „geht gar nicht“ bis hin zu „sehr entlastend, habe viel aufmerksamer zugehört“. Auch hier sollte man immer auf sich schauen und überlegen, was ist gut und gesund für mich und was ist gut für das Team. Vielleicht macht es Sinn, dass nur die ersten fünf Minuten alle die Kamera anschalten und dann nur derjenige, der spricht. „Camera always on“, ist für die Gesundheit nicht gut, „camera always off“ ist für das Team nicht gesund. Drüber sprechen hilft auch hier.  

?In Ihren Vorträgen und Workshops plädieren Sie dafür, in Online-Meetings auch einmal Kommunikationspausen einzulegen. Welches Ziel soll damit erreicht werden? 

!Sonja Hanau: Wann immer ich eine Frage in meinen Meetings stelle, folgt danach der Satz: „Bitte einmal kurz in Stille darüber nachdenken“. Ziel einer Pause ist zum einen, die Qualität der Antworten zu steigern, zum anderen aber auch den Introvertierten die Chance zu geben, sich zu beteiligen. Viele haben ein Meeting nach dem anderen. Da ist man sicherlich auch produktiv; wenn ich aber einen ganz Tag lang beschallt werde, kann ich nicht neue Ideen haben oder diese entwickeln. Darüber hinaus bleiben Inhalte viel besser im Kopf, wenn ich darüber nachgedacht habe, als wenn ich nur zuhöre.  

?Wie schafft man es, introvertierte Teammitglieder nicht zu verlieren? 

!Sonja Hanau: Auch hier gilt es wieder Rahmenbedingungen zu schaffen, die den unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht werden. In Meetings kommen in der Regel nur die Extrovertierten zu Wort. Wenn ich aber nach einer Frage eine Minute Stille zum Denken anmoderiere und aktiv moderiere, kann ich dafür sorgen, dass jeder die Chance hat, sich einzubringen. Eine andere Möglichkeit ist es, vorher Ideen und Input einzuholen – Stichwort asynchrones Arbeiten.  

?Vor der Pandemie wurden in den Abteilungen Geburtstage gefeiert; man saß zusammen und hat Kaffee getrunken und Kuchen gegessen. Kann man in hybriden Teams noch zusammenwachsen und Spaß am Miteinander haben? 

!Sonja Hanau: Hinter Traditionen stecken gemeinsame Erinnerungen: „… weißt du noch, unser Frühstück …“, also gemeinsame Erlebnisse. Vor Ort gab es diese. Bei hybriden Teams passiert das nicht einfach so. Also muss man auch hier bewusst überlegen, was wollen wir gemeinsam machen. Wollen wir z.B. gemeinsam Kuchen essen? Wie kann das gelingen? Jeder hält dann sein Stück in die Kamera und die anderen müssen raten, was das für ein Kuchen ist. Das klingt vielleicht erst einmal albern, aber man findet sicherlich Gemeinsamkeiten, Sachen, auf die man sich freut, auf die man sich verlassen kann. Das ist eine Art von Ritual, die man neu erfinden und wieder etablieren kann. 

Andere Rituale brauchen gar nichts Äußeres. Das kann z.B. ein guter Wochen-Check-In sein. Die Woche zu beginnen mit der Frage: „Wie war dein Wochenende?“, ist vielleicht nett, führt in der Regel nur zu geringer Bindung. Fragen wie „Auf was freust du dich diese Woche und was wird für dich herausfordernd?“ sind hingegen viel persönlicher – und gleichzeitig kann jeder selbst entscheiden, wie viel er preisgibt. Idealerweise nicht in der großen Gruppe, sondern in 2er Break-Outs. Auch das ist ein Ritual und gleichzeitig lernt man die Menschen kennen. Auch hier gilt: Einfach ein paar Mal ausprobieren; ich bekomme oft eine positive Rückmeldung hierzu. 

?Kommt da nicht schnell Langeweile, wenn mir jede Woche die gleiche Frage gestellt wird? 

!Sonja Hanau: Die Frage ist zwar dieselbe, aber die Antworten sind immer anders, und das macht es spannend. Für mich ein schönes Beispiel, dass es nicht immer etwas ausgefallenes sein muss, um trotzdem Abwechslung reinzubringen. Gleichzeitig schätzen viele die Beständigkeit zu wissen, womit es montags oder im Team-Meeting losgeht.  

?Ein letzter Blick in die Zukunft? Welche neuen Arbeitsweisen werden nach dem Hybrid-Modell kommen? 

!Sonja Hanau: Corona hat erst einmal transparent gemacht, dass es andere Formen der Zusammenarbeit gibt. Das war schmerzhaft, aber hat definitiv den Horizont erweitert. 

In Corona haben sich Teams viel mit dem Thema „Ort“ beschäftigt und Unternehmen Büros für das „new work“ umgebaut. Hier standen die Themen Zusammenarbeit und Raum im Vordergrund. Das nächste wird sein, stärker auf das Thema „Zeit“ zu schauen, d.h. Wege zu finden, wie man viel stärker zeitunabhängig arbeiten kann. Dadurch erhält die Arbeit eine stärkere Flexibilität, nicht nur die räumliche, sondern eben auch die zeitliche. Die Herausforderung beim Thema Zeit ist, sie ist so schwer zu greifen und sichtbar, das ist bei Räumen einfacher.  

?Aber viele Menschen schaffen doch durch das Home-Office keine Abgrenzung mehr zwischen Arbeit und Privatem. In einigen Unternehmen wurden deswegen klare Guidelines aufgestellt wie z.B. keine Meetings mehr nach 18:00 Uhr. 

!Sonja Hanau: Ich glaube, dass solche Pauschalvorgaben gut gedacht sind, aber oft nicht zum erwünschten Ergebnis führen. Wenn Menschen von morgens bis abends Meetings haben, stellt sich die Frage: Wann arbeiten sie denn die Dinge auf, die aus den Meetings resultieren? Ein Arbeitstag besteht ja nicht nur aus Meetings.  

Der Hebel liegt meiner Erfahrung nach darin, zu schauen, wie es gelingen kann, weniger Meetings zu haben. Und zwei theoretisch simple, aber in der Praxis nicht immer leicht umsetzbare Antworten sind: Meetings vorbereiten und moderieren, damit man schneller zum Ziel kommt. Bewusst entscheiden, welche Inhalte wirklich in ein Meeting gehören und welche nicht.  

Das ist aber auch ein Thema der Selbstführung. Selbstverständlich braucht es einen Rahmen vom Unternehmen; es braucht aber auch das Persönliche, also wo ziehe ich meine Grenzen, ab wann sage ich nein und lehne auch mal ein Meeting ab. 

?Haben Sie noch einen letzten Tipp für unsere LeserInnen? 

!Sonja Hanau: Wichtig bei allem ist immer die innere Haltung. Die eigene Arbeitsweise und die im Team zu verändern ist ein Prozess – mit vielen kleinen Schritten, mit Erfolgen und Rückschlägen. Ein Prozess, der frustrierend und anstrengend sein kann. Regelmäßig innehalten und schauen, was funktioniert schon gut und wo können wir besser werden, hilft. Das gilt auch für das Thema „Open Space“. Wie wollen wir das Büro nutzen? Welche Art von Tätigkeiten haben wir im Team, die gemeinsam an einem Ort am besten gehen und welche eignen sich besser für das Home-Office? Wenn ich darauf hinarbeite, im Büro hauptsächlich Tätigkeiten zu erledigen, die gemeinsam mit den KollegInnen viel besser gehen, dann dürfte ich eigentlich keine 8 Stunden an meinem Arbeitsplatz im Open Space sitzen, sondern bin im Gebäude auf den unterschiedlichen kollaborativen Flächen unterwegs. Das erfordert eine andere Planung der Woche, für jeden individuell und im Team zusammen. Und auch da gilt: einfach mal mit einem Setting starten, ausprobieren, reflektieren, weiterentwickeln. Schritt für Schritt.  

!Vielen Dank für das Gespräch! 

 

BIld Sonja Haunau

Über Sonja Hanau:

Die Wirtschaftsinformatikerin begleitet seit Jahren Unternehmen bei der Entwicklung einer neuen Meeting- und Zusammenarbeitskultur. Dabei schafft sie mithilfe von passender Technik und guten Strukturen einen Rahmen, in dem Menschen ihre Potenziale entfalten und ihre Ziele erreichen können. In ihrem Buch „Mit hybriden Teams mehr erreichen“ beschreibt sie zusammen mit Gesine Engelage-Meyer, was Teams alles tun können, um Zusammenarbeit Schritt für Schritt weiterzuentwickeln. www.meetingschmiede.de