EPI: Vom fragmentierten zum einheitlichen europäischen Zahlungsverkehr
Zurzeit konkurrieren in Europa unterschiedliche nationale elektronische Zahlungssysteme. Die EPI European Payments Initiative (EPI) hat sich zum Ziel gesetzt, diese zu bereinigen und ein einheitlicheres, konkurrenzfähiges, kunden- und händlerfreundlicheres System zu schaffen. Eine Reihe guter Voraussetzungen dafür sind bereits gegeben. Interessant ist dabei auch die Entwicklung der in den Niederlanden bewährten Lösung iDEAL.
Status Quo
Die Franzosen lieben das Bezahlen mit Cartes Bancaire; die Deutschen zunehmend seit der Pandemie das Bezahlen mit Girocard, die Polen die lokale mobile Zahlungslösung Blik, die Spanier die lokale Lösung Bizum. Obwohl manche der 50 (!) europäischen P2P-Lösungen in ihren jeweiligen Ländern erfolgreich sind, sind sie in der Regel miteinander nicht kompatibel. So funktionieren sie - ärgerlich für den Verbraucher – oft nur über bestimmte Kanäle, etwa nur online oder nur am physischen POS. Händlerseitig existieren wiederum nochmal eigenständige, spezifische B2B-Systeme, die oft weniger im Fokus stehen, obwohl dort das Geld zu verdienen ist.
Nachteile für den Verbraucher
Alles in allem haben wir es also mit einer sehr heterogenen kleinteiligen Bezahllandschaft zu tun, mit nachteiligen Folgen für die Händler und die Verbraucher. Wer auf Reisen im Geschäft oder online in einem anderen europäischen Mitgliedsstaat etwas einkaufen möchte, muss häufig auf seine bevorzugte Bezahlmethode verzichten. Seine einzigen Optionen bei grenzüberschreitenden Zahlungen:
- beim Bezahlen vor Ort physische Euro-Banknoten
- für Online-Einkäufe die Visa oder Mastercard
- bei P2P-Zahlungen PayPal oder Revolut zu nutzen.
EPI: Eine Lösung für alle
Ändern soll das jetzt EPI, die führende Initiative zur Schaffung einer einheitlichen, gesamteuropäischen Zahlungsverkehrslösung. Durch sie sollen künftig Kunden in allen EPI-Mitgliedstaaten ein einheitliches Einkaufserlebnis erhalten. Dies erlaubt auch Banken und Zahlungsverkehrsdienstleister Skaleneffekte zu nutzen, da die einzelnen nationalen Fragmente zusammen gebündelt werden.
Um den Aufbau eines harmonisierten Zahlungsmarkts für eine halbe Milliarde europäische Verbraucher und mehr als zehn Millionen europäische Händler zu unterstützen hat sich Worldline maßgeblich an EPI beteiligt.
Gute Voraussetzungen
Bereits heute ist Europa in vielen Bereichen des Zahlungsverkehrs weltweit mehr als gut aufgestellt. Alle Banken sind miteinander verbunden und unterliegen einer gemeinsamen Regulierung. Sie nutzen gemeinsame SEPA-Standards und verarbeiten Transaktionen zunehmend in Echtzeit, rund um die Uhr und meistens kostenlos für den Verbraucher. Zahlungskarten verfügen über sichere Chips. Eine sichere Zwei-Faktor-Authentifizierung sorgt dafür, dass der Verbraucher informiert ist, bewusst zustimmt und möglicher Betrug reduziert wird.
Was hier selbstverständlich erscheint, ist bei Bezahlsystemen anderer Kontinente oft Mangelware. Hier sind teure, zum Teil batch-basierte Zahlungsverarbeitung, magnetstreifen-basierte Bezahlvorgänge und Papierschecks oft noch an der Tagesordnung.
Darüber hinaus ist Europa weltweit führend bei der innovativen Regulierung des Zahlungsverkehrs, indem es Open Banking in einer gesamten Branche durchsetzt und auch Datenschutzbestimmungen eingeführt hat, die weltweit als Vorbild dienen.
Weitere Entwicklungen
Als nächsten Schritt plant Europa – länder- und branchenübergreifend - den Aufbau eines vernetzten „Datenmarktes". Gute Beispiele dafür wurden bereits in einigen europäischen Ländern vorgegeben. So sind etwa nordische und baltische Länder weltweit bekannt für die vollständige Digitalisierung der finanziellen supply-chain (elektronische Rechnungsstellung, elektronische Steuern, elektronische Identität, elektronische Unterschrift, ... „e-everything"). Sie zeigen, wie die digitale und effiziente Zukunft für alle aussehen könnte.
Die Niederlande sind ein weiteres interessantes Beispiel. Hier verliert das Bargeld seit Jahrzehnten immer mehr an Bedeutung(1). Kartenzahlungen/PayPal/usw. wurden durch die direkte, kontobasierte Online-Banking-Zahlungslösung iDEAL überholt. Dies wird von Verbrauchern, Händlern und vielen Banken geschätzt. Ein Triple-Play, das nur wenige Zahlungslösungen weltweit erreichen konnten.
Die mögliche Zukunft von iDEAL
Open Banking ist inzwischen verpflichtend und ermöglicht Verbrauchern, direkt von ihren Konten gebührenfrei und ohne Eingabe 16-stelliger Codes zu bezahlen und ermöglicht Händler, Gelder sofort und unwiderruflich zu erhalten. In den Niederlanden, wird parallel auf eine neue Version von iDEAL gesetzt. Dabei wäre es überlegenswert, iDEAL 2.0 in die derzeitigen europaweiten Entwicklungen einzupassen. Die Änderung interner Strukturen und eine verbesserte mobile Nutzung kann nicht die einzige Weiterentwicklung sein.
Basis für neue Mehrwertdienste oder API-Drehscheibe
Vielleicht wird iDEAL 2.0 die Grundlage für neue Mehrwertdienste oder sogar die API-Drehscheibe, über die alle niederländischen Banken einfach und einheitlich für PSD2/Open Banking zugänglich sind. Der zentrale Knotenpunkt könnte nicht nur grundlegende APIs für Compliance bereitstellen. Denkbar wären auch Mehrwert-APIs, über die Banken auch als Kreditgeber in andere Ökosysteme integriert werden sowie Händlern Kreditscores („Instant Scoring for Instant Finance") und e-Mandate/e-Signing-Dienste und weitere monetarisierbare APIs in der neuen vernetzten Wirtschaft („embedded finance“) zur Verfügung gestellt werden.
Transporteur für Daten
Auf der Basis von Open-Banking-Standards, wie dem Protokoll der Berlin Group, hätte iDEAL dann ein vielversprechendes Potenzial, dieses neue zukunftsweisende API-Ökosystem zu schaffen. iDEAL 2.0 könnte auch eine bankbasierte e-Identität nach dem nordischen Modell bereitstellen, die dringend benötigt wird, um künftig eine passwortfreie digitale Wirtschaft aufzubauen.
Schließlich könnte iDEAL das Transportmittel für das Einzige sein, was künftig mehr denn je zählt - Daten. Zum noch größeren Erfolgsmodell in der Zukunft kann iDEAL vor allem dann werden, wenn damit holistische Konzepte umgesetzt und nicht nur auf interne technische Umstrukturierungen mit proprietären Protokollen oder ein weiterer neu gestalteter Zahlungsknopf beschränkt werden.
Zukunftsperspektiven für Europa
Europa hat bewiesen, sehr weitreichende Systeme schaffen zu können. Dies ist bewiesen schon seit dem globalen Erfolg von GSM, dem internationalen Standard für digitale Funknetze. Er ermöglicht neben der Telefonie auch Mehrwertdienste wie Nachrichtenübermittlung, Daten, Identität und vieles mehr und zeigt, dass zweiseitige Märkte funktionieren können, ohne dass einzelne zentralisierte Plattformen aufgebaut und Monopole geschaffen werden müssen. Dann hat die Europäische GDPR die Welt erobert, nun ist es Open Banking und jetzt kommt der Datenmarkt und die Digitale Identität. Europas Regulierung ist an manchen Stellen ein globales Erfolgsmodell.
Für die Zukunft in Payments gibt es eine klare Vision: Zahlungen werden künftig sofort, vernetzt, bargeldlos, bankbasiert, API-gesteuert, mobil, kostengünstig, einfach, offen, sicherer und weniger abhängig von anderen sein. Dafür müssen aber noch zunächst einige Herausforderungen bewältigt werden. Wir befinden uns jetzt erst in Staffel 3 der Serien-Box. KI-gesteuerte Lifestyle-Apps sind wahrscheinlich in Staffel 8 zu sehen. Bis dahin müssen also noch einige weitere Schritte unternommen werden.
Lassen Sie uns gemeinsam an der Zukunft arbeiten. Es gibt bereits einige hervorragende Beispiele, die zeigen, wie das gehen kann. Nun sollten wir an das Umsetzen gehen.
[1] im Gegensatz zum übrigen Europa, wo sich die Zahl der umlaufenden €-Banknoten seit der Einführung des Euro mehr als verdreifacht und der Wert der umlaufenden €-Banknoten seit der Einführung verfünffacht hat ... wobei das Bargeldwachstum in den letzten Jahren besonders hoch war. (Quelle: Europäische Zentralbank (EZB)).
Dr. Michael Salmony
Berater für Innovationsstrategie
Worldline Financial Services
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