Sofort-Zahlungen auch in Europa demnächst ganz normal?
Sofort-Zahlungen auch in Europa demnächst ganz normal?
Die Finanzdienstleistungsbranche diskutiert mehr denn je neue Ideen und Visionen für den Zahlungsverkehr. Ein Thema u.a. sind die Sofortzahlungen und dabei geäußerte Bedenken, ob die Banken sich schnell genug an das neue digitale Zeitalter anpassen können.
Michael Steinbach, Mitglied des Executive Committees von Worldline, stellt im nachfolgenden Beitrag seine Visionen zu diesem Thema und zu der digitalen Entwicklung des Bankensektors und dem globalen Kampf um Zahlungslösungen zwischen den USA, China und Europa vor. Dabei teilt er grundsätzlich die von C. Bovero, Head of Cards & Innovative Payments bei BNP, auf der diesjährigen SIBOS aufgestellte These, wonach die Digitalisierung von den USA und China vorangetrieben werde, der Zug abgefahren sei und nicht in anderen Regionen und Ländern angehalten werde.
Michael Steinbach erläutert diese Einschätzung und seine Hoffnung auf eine letzte Chance, den Prozess in seinen Folgen einschränken zu können, mit der Beantwortung der nachstehenden Fragen.
Herr Steinbach, wie beurteilen Sie die bisherigen Entwicklungen im Sofortzahlungsverkehr?
Michael Steinbach: Sofortzahlungen werden in Europa langsamer angenommen. Dafür gibt es, je nach Land, Bank und Situation, unterschiedliche Gründe. Allein die Niederlande konnten durch die Zusammenarbeit aller Banken einen landesweiten Ansatz entwickeln, der nicht nur für eine erfolgreiche Umsetzung und ein stabiles Produkt, sondern auch für eine hohe Akzeptanz bei den Bürgern sorgte.
Welchen Einfluss hat COVID-19 auf die Situation?
Michael Steinbach: Natürlich hat COVID-19 den Umsetzungs-Prozess von Sofortzahlungen insgesamt verlangsamt. COVID-19-bedingt haben die Banken in letzter Zeit andere Prioritäten verfolgt und sich primär darauf konzentriert, alltägliche Bank-Aktivitäten von remote abzuwickeln und zu steuern.
Aber auch ohne das Virus würde Europa bei Sofortzahlungen hinterherhinken. Leider wird dort die Dringlichkeit von Sofortzahlungen unterschätzt. Man hat immer noch nicht erkannt, dass Sofortzahlungen künftig die neue Normalität und nicht eine Premium-Dienstleistung sein werden, wie sie einige Länder anbieten. Das ist seltsam. Denn allein schon wegen des technischen ISO-Standards 20022 werden über kurz oder lang alle Zahlungen immer sofort erfolgen müssen.
Zögern Banken auch bei der Akzeptanz von Open Banking?
Michael Steinbach: Hier liegt die Sache etwas anders. Die Banken zögern, ihre Daten Dritten zur Verfügung stellen, weil sie ihre Nähe zu den Kontoinhaberdaten nicht aufgeben wollen. Sie fürchten die Risiken und unterschätzen die Chancen. Denn sie könnten ja auch ihren derzeitigen Datenbestand mit Informationen von anderen Banken oder Finanzinstituten erweitern. Damit daraus ein echter Business Case wird, müssten sie allerdings erst einmal profitable Geschäftsmodelle entwickeln. Zurzeit konzentrieren sie sich allerdings bei PSD2 und Open Banking vor allem auf das Lösen von Compliance-Fragen.
Werden FinTechs und BigTechs wie Amazon letztlich den Banken bei der Umsetzung der Digitalisierung große Marktanteile abjagen?
Michael Steinbach: Die Frage ist doch, welche FinTechs und Start-ups nach der aktuellen Pandemie noch überleben werden. Auch Start-ups mit starker Marktposition und gutem Produkt haben es zurzeit schwer. Und niemand weiß, wie der Markt nach COVID-19 aussehen wird. Allerdings zeigt sich, dass die BigTechs weiterhin am meisten von der gegenwärtigen Situation profitieren und noch stärker werden, was die Marktanteile von Banken bedroht.
Dennoch haben die Banken sicherlich auch in Zukunft reelle Chancen im Kampf um Marktanteile, weil sie immer noch einen guten Ruf haben, ernst genommen werden und als vertrauenswürdig gelten. Ich glaube, das spielt auch in digitalen Zeiten eine wichtige Rolle. Unser Unternehmen wird sie jedenfalls bei den Anpassungs- und Digitalisierungs-Prozessen bestmöglich unterstützen.
In wieweit beunruhigt Sie dabei die zuvor erwähnte Abhängigkeit der Banken von außereuropäischen Zahlungslösungen?
Michael Steinbach: Ich hoffe, dass die Banken endlich einsehen, dass sie innerhalb Europas bei der Entwicklung von Zahlungslösungen mehr zusammenarbeiten müssen. Sonst werden die BigTechs aus den USA und China ihre Marktpräsenz in Europa weiter ungehindert ausbauen. Ich glaube, dass die European Payments Initiative (EPI) - als Gruppe von 16 europäischen Großbanken, die eine einheitliche gesamteuropäische Zahlungslösung anstreben - zwar eine gute Basis, aber auch letzte Chance dafür ist, die wir bei Worldline überzeugt unterstützen.
Was raten Sie deshalb den Banken?
Michael Steinbach: Als Leiter einer Bank würde ich dafür plädieren, zu schauen, wie man die anstehende Aufgabe am besten innerhalb der Bank, aber auch extern gegenüber den Kunden lösen kann. Dazu braucht man eine Bestandsaufnahme des ganzen Hauses. Vermutlich wird man dann feststellen, dass verschiedene Geschäftsbereiche ihre eigenen Schlussfolgerungen ziehen und unterschiedliche Visionen haben. Auch wenn das völlig ok ist, müssen diese unbedingt in eine Gesamtstrategie eingebettet werden. D.h.: Um erfolgreich zu sein, müssen dringend bestehende Insellösungen nicht nur auf der System-, sondern auch der strategischen Ebene abgebaut werden.
Als Bank wäre ich von dem Szenario, dass in Zukunft jede Zahlung überall auf der Welt, von jedem Gerät aus sofort erfolgen wird, überzeugt. Ich empfehle, sich darauf einzustellen. Denn auf welche Weise auch immer, Sofortzahlungen werden zur neuen Normalität werden.
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